Gestern im Ortsbeirat: Umweltamt stellte Risikoanalyse vor

Die zahlreichen Flugbewegungen über Schierstein sind weder zu übersehen und schon gar nicht zu überhören. Naheliegend, denn unser Stadtteil und  der Frankfurter Flughafen sind 22 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, zum Militärflughafen Erbenheim sind es gerade einmal  11 Kilometer!

In der Ortsbeiratssitzung am Mittwochabend war auf Einladung des Ortsbeirates das Umweltamt der Landeshauptstadt Wiesbaden zu Gast und stellte die Risikoanalyse zum Überflug des Industrieparks InfraServ durch Militärflugzeuge vor.

Zwar liegt der Industriepark außerhalb des „Hoheitsgebiets“ des Schiersteiner Ortsbeirates, doch bei einer Entfernung von nur knapp 3 Kilometer zu den Produktionsstätten von chemischen  Produkten, ist es auch für die Schiersteiner Bürger gut zu wissen, dass sich die Verantwortlichen der Stadt mit der Thematik beschäftigen!

Welche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen Mitglieder des Ortsbeirates aus der Risikoanalyse ziehen, lesen Sie am Ende dieses Berichtes.

Auf der Tagesordnung der bereits vierten Ortsbeiratssitzung des Jahres 2014 stand wieder einmal die seit 2007 jährlich im August in Wiesbaden stattfindende Triathlon-Sportveranstaltung: Der Ironman Germany 70.3! Und hier kommt der Ortsbeirat dem Wunsch einer Vielzahl von Athleten nach und setzt sich mit Nachdruck für die Rückkehr des  Schwimmwettbewerbes in den Schiersteiner Hafen ein. Der Hafen war bereits in den Jahren 2007 bis 2010 der Austragungsort des Schwimmwettbewerbs und Startpunkt für die Radstrecke. Dann gab es Bedenken hinsichtlich der Wasserqualität und die Schwimmer zog es in den Raunheimer Waldsee. Eine „Notlösung“, die niemand so Recht gefiel und auf ein Comeback der  „Eisenmänner“ in den Hafen hoffen lässt, zumal der Kreis der Bedenkenträger in Bezug auf die Qualität des Hafenwassers merklich geschrumpft sein soll!

Ironman im Jahre 2009 im Schiersteiner Hafen

Ironman im Jahre 2009 im Schiersteiner Hafen

Ein weiteres Thema in Sachen Sport: Unter Hinweis auf die steigende Lebenserwartung und  das Bedürfnis der Menschen, sich auch in fortgeschrittenem Alter fit zu halten, wünscht sich die CDU-Fraktion die Aufstellung von Sportgeräten zur Bewegungsförderung speziell für Senioren und Behinderte. Als mögliche Standorte werden die Söhnlein- und  Bremseranlage sowie Bereiche entlang des Hafenrundwegs vorgeschlagen. Diesem Antrag konnte sich der Ortsbeirat nicht in vollem Umfang anschließen, jetzt soll zunächst geprüft werden, ob überhaupt Bedarf in Schierstein für solche Geräte besteht.

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen will vom Magistrat wissen, warum die „Ortstafel Wiesbaden-Biebrich“  an der Saarstraße nach Süden versetzt wurde und welche Pläne zur Schaffung eines Fahrradschutzstreifen in der Saarstraße in der Schublade des Tiefbauamtes liegen.

Illegal aufgestellte Altkleider-Container sind  nicht nur dem  Ortsbeirat, sondern auch vielen Bürgern seit langer Zeit ein Dorn im Auge. Jetzt bittet der Ortsbeirat den Magistrat, ein Verfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe illegal aufgestellte Altkleider-Container schneller und einfacher aus dem öffentlichen Raum entfernt werden können. Das neue Vorgehen, so heißt es weiter in dem von den Grünen eingereichten Antrag, soll dann nach Möglichkeit auch auf Grundstücken städtischer oder stadtnaher Gesellschaften wie ESWE oder GWW angewendet werden.

Den Blick auf die laufenden Ausbauarbeiten der Kreisstraße von Walluf nach Schierstein gerichtet, hat die SPD-Fraktion die Alarmglocken geläutet!  Durch die  gerade Streckenführung und Flächenversiegelung wird sich – so die Genossen im Ortsbeirat – die Straße zukünftig optisch wenig reizvoll präsentieren. Deshalb wünscht man sich, dass die Planung noch kurzfristig geändert und die Straße angemessen,  etwa wie im Bereich der Nachbargemeinde Walluf,  gestaltet wird. Da in dieser Sache Eile geboten ist, wird das Thema auf der Tagesordnung der nächsten Ortsbeiratssitzung am 21. Mai stehen.

Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Risikoanalyse:

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Urban Egert (Ortsvorsteher, SPD)

Urban Egert (Ortsvorsteher/SPD):
„Der Vortrag war gut und interessant, was man auch der lebhaften Beteiligung und Diskussion im Anschluss entnehmen kann. Es wurden von Frau Dr. Döll eindrucksvoll die errechneten Risiken der Überflüge dargestellt. Für die Schlussfolgerungen daraus und mögliche Maßnahme sind nun Fachleute und Politiker gefragt.

Für Schierstein würde die durchaus mögliche Reduzierung der Überflüge über InfraServ bedeuten, dass diese Flugzeuge und Hubschrauber ihre Route ändern und künftig direkt über Schierstein fliegen. Derzeit ist bei knapp 10.000 Flugbewegungen das Risiko noch im vertretbaren Rahmen, ab etwa 17.000 Flugbewegungen wird es kritisch.

Die sinnvollste Maßnahme zur Minimierung ALLER Belastungen (Umwelt) und Risiken erscheint mir deshalb die Beschränkung und Reduzierung der Flüge insgesamt. Dafür werde ich mich als Ortsvorsteher und Stadtverordneter einsetzen.“

Walter Richters (Bündnis 90/Die Grünen):

Walter Richters (B'90/Die Grünen)

Walter Richters (B’90/Die Grünen)

„Als Fazit der vom Umweltamt vorgestellten Risikoanalyse zu den Überflügen des Industrieparks InfraServ ergeben sich für uns folgende Erkenntnisse und Schlussfolgerungen:

  • Es war gut und wichtig, dass die Analyse auf meinen Wunsch hin im Ortsbeirat vorgestellt wurde.
  • Zumindest statistisch besteht aktuell kein Grund zur Panik.
  • Wir liegen aber nach der Studie nicht im „grünen, akzeptablen Bereich“ des Risikographen, sondern im gelben, so genannten ALARP-Bereich*).
  • Die ermittelten Risikowerte sind schon jetzt wahrscheinlich höher als die Werte, die man mit der verwendeten Methode für das Atomkraftwerk Fukushima errechnet hätte, natürlich vor der Katastrophe.
  • Wenn es zu einem Störfall kommt, können die Auswirkungen für Wiesbaden katastrophal sein.
  • Mit der geplanten und vom Bund genehmigten Verdoppelung der Flugbewegungen wird das Risiko deutlich steigen, möglicherweise sogar in den roten, inakzeptablen Bereich.
  • Wiesbaden hat offenbar keinerlei Anspruch auf Information und Mitsprache bei den Regelungen, die von den Amerikanern mit dem Bund ausgehandelt wurde. Das ist bestürzend und sollte umgehend geändert werden.
  • Auch wenn die Erfolgsaussichten leider schlecht sind, sollte man zumindest alles versuchen, damit die Amerikaner das vereinbarte Kontingent an Flugbewegungen nicht ausschöpfen.
  • Man sollte die Amerikaner drängen, möglichst die Instrumentenflüge zugunsten der Sichtflüge, die nicht über das InfraServ-Gelände führen, zu reduzieren.
  • Wichtig ist, dass niemand versucht, Biebrich und Schierstein gegeneinander auszuspielen.

*) ALARP ist ein Prinzip der Risikoreduzierung, „As Low As Reasonably Practicable (so niedrig, wie vernünftigerweise praktikabel)“

Vogel

Wilhelm Vogel (CDU)

Wilhelm Vogel (CDU):

„In meinem ersten Redebeitrag gestern Abend im Rahmen der Ortsbeiratssitzung verwies ich darauf, doch die Landebahn in Richtung Westen um wenige Grad zu verändern, um damit das Problem des direkten Überflugs über das Gelände von InfraServ zu lösen.  Erwiderung von Frau Dr. Döll vom Umweltamt: Der Standort „Air-Base“ genießt in seiner Bebauung Bestandsschutz, erschwerend kommt hinzu, dass bestehende Gebäude eine solche Lösung nicht zulassen. Ein einfacher Blick mittels „Google Earth“ auf das Gelände genügt jedoch, um Gebäude als Problem auszuschließen. 

Aus den von Frau Dr. Döll vorgelegten Flugrouten für An- und Abflüge, sowohl als Instrumenten oder auch als Sichtflug, geht jedoch eindeutig hervor, dass es in Richtung Westen Spielräume für die An- und Abflugwinkel in der Horizontalen gibt, da bereits jetzt eine breite Streuung vorhanden ist.

Für mich ist die Lösung des Problems mit heutigem Wissensstand eindeutig auf der Air-Base selbst zu suchen, in einer Kegel- oder Keilform der Start- und Landebahn, mit entsprechenden Markierungen für den jeweils anzuwendenden Fall und in ggf. neuen Verhandlungen mit dem Betreiber zu lösen.

Deutlich hervorheben möchte ich, dass meine Betrachtung nur den Katastrophenfall als Worst Case betrachtet, nicht jedoch die Lärmentwicklung, die sich natürlich verlagern würde.“

Bernd Thielmann (parteilos):

  • „Das jetzige Risiko – nach der Risikodefinition des Gutachters – liegt bei der derzeitigen
    Bernd Thielmann

    Bernd Thielmann

    Anzahl der Flüge gerade noch im  „annehmbaren Bereich“ .  Mit wachsender Zahl der Flüge (20.000 sind laut Vertrag genehmigt, ca. 9.500 sind es derzeit) geht das Risiko recht schnell über in „nicht annehmbar“.  Garantierte Stundenzahl muss nicht ausgereizt werden, wird aber laut Gutachten durchaus auf ein Mittel von 17.000 ansteigen können/müssen (alle Militärs müssen ihre Lizenzen mit Flugstunden untermauern)

  • ILS-Anflüge (Instrumentenlandesystem) bei Betrieb RWY07 können gar nicht anders als über InfraServ geleitet werden; lediglich Abflüge könnten direkt über Schierstein-Mitte geführt werden.  Auch über die Firma Fischer. Hier gilt laut Risikoanalyse die Vorgabe, dass ein Absturz auf Schierstein-Mitte weniger Todes- und Unfallopfer fordern würde, als ein Absturz auf InfraServ.
  • Militärs interessieren Einwendungen unserer Stadtteil- und Stadtpolitiker wenig (auch der Eindruck der gestrigen Referentin). Vertrag lässt 20.000 Flugbewegungen zu und Schluss ist! Dafür sei man mit seinem Headquarter schließlich auch nach Wiesbaden gekommen !“
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